83 Unfall und Mensch
In der vorliegenden Untersuchung wurde das Geschwindigkeitsverhalten freifahrender Pkw bei etwa 400 Verfolgungsfahrten auf vier Bundes- und Landesstraßen im Odenwald und im Hessischen Ried analysiert. Dazu mussten die Geschwindigkeitsprofile relativ aufwendig geglättet werden, um die (Längs-)Beschleunigung und (Längs-)Rückprofile als Maß für die Reaktionsstärke und den Reaktionsort berechnen zu können. Die ermittelten Profile wurden getrennt nach typischen Fahrtengruppen aufgetragen. Außerdem wurden an auffälligen Stellen die Verteilungen der Geschwindigkeiten und der ausgenutzten Seitenreibungsbeiwerte ermittelt. Es zeigt sich, dass Verfolgungsfahrten recht gut geeignet sind, um das Reaktionsverhalten freifahrender Fahrer zu studieren. Die Messmethodik kann allerdings noch verfeinert werden. Die wichtigsten Ergebnisse sind: - Das höhere Beschleunigungsvermögen stärker motorisierter Fahrzeuge wirkt sich auf die gesamte Fahrweise aus. - Die höchsten Werte der Verzögerungen sind bei manchen engen und unübersichtlichen Kurven nicht vor, sondern in den Kurvenbereichen zu finden. - Die Fahrer akzeptieren vor allem bei Nässe wesentlich höhere Seitenreibungswerte als in den Richtlinien angenommen. Die akzeptierten Maxima der Seitenreibungswerte unterscheiden sich bei engen Radien von Kurve zu Kurve kaum. Die maximale Seitenbeschleunigung ist damit wahrscheinlich eine maßgebliche Eingangsgröße der Geschwindigkeitswahl. Die Sichtverhältnisse haben (auch bei der Trassierung im Höhenplan) einen großen Einfluss auf das Reaktionsverhalten. Sollten sich in den weiteren Teilen des gesamten Forschungsvorhabens noch Fragestellungen in Bezug auf bestimmte Fahrergruppen oder ähnliches ergeben, so wäre eine weitere Auswertung des vorhandenen Datenmaterials, zum Beispiel getrennt nach Fahreralter oder Ortsansässigkeit durchaus denkbar.
Ausgehend vom Blickverhalten beim Betrachten von statischen Konfigurationen werden die Parameter des Blickverhaltens (stimulusbedingte Einflussgrößen, Person des Betrachters) beschrieben. Die visuelle Informationsaufnahme wird als Wechselwirkung zwischen Anforderungen und Umweltmerkmalen verstanden. Aus der Fülle der Ergebnisse, die auch die Rolle der Fahrpraxis, die Trainierbarkeit des Blickverhaltens sowie den Zustand des Fahrzeuglenkers (Alkohol, Schlafmangel, Kohlenmonoxyd) berücksichtigen wie auch auf Fahrzeugmerkmale eingehen, werden Erkenntnisse für den alltäglichen Verkehr gezogen.
Die Zielsetzung dieser Analyse bestand darin, Einblick in jene Faktoren zu gewinnen, die maßgeblich zur Entstehung und Folgenschwere von "Disco-Unfällen" beitragen, um Erkenntnisse für die Entwicklung von Maßnahmenkonzepten zur Reduktion dieser Unfälle zu gewinnen. Die Analysedaten basieren auf einer dreimonatigen bundesweiten Totalerhebung aller Unfälle mit Personenschaden, die sich auf Fahrten zu, auf Rückfahrten von oder auf Pendelfahrten zwischen Diskotheken ereignet haben. Innerhalb des dreimonatigen Erhebungszeitraumes waren 216 Disco-Unfälle zu verzeichnen, bei denen 64 junge Leute getötet und 484 schwerverletzt wurden. Unfallursachen: 61 Prozent der Unfallfahrer hatten eine zu hohe Blutalkoholkonzentration. Der Anteil alkoholisierter Fahrer war in städtischen Ballungsgebieten wesentlich höher als in ländlichen Regionen. Linkskurven mit einem großen Kurvenradius waren der häufigste Unfallort. Infolge von Überlastung in Verbindung mit mangelnden fahrphysikalischen Kenntnissen der jungen Fahrerereigneten sich mehr als ein Fünftel Unfälle in solchen Kurven. Die Folgenschwere von Disco-Unfällen resultiert unter anderem aus der hohen Nichtanlegequote von Sicherheitsgurten - insbesondere auf den Rücksitzen. Unter differentiellen Gesichtpunkten wurde eine überproportional häufige Unfallbeteiligung von Angehörigen der Berufsgruppen, Metall, Baugewerbe und Militär festgestellt. Die Risikobereitschaft der jungen männlichen Fahrer konnte durch den "Führerschein auf Probe" noch nicht angemessen reduziert werden. Als unfallreduzierende Maßnahmen wurden vorgeschlagen: - öffentliche Fahrtangebote während Abend- und Nachtstunden des Wochenendes (zum Beispiel Disco-Busse), - Aufklärungskampagnen und Verbesserung der Ausbildung und Nachschulung, - gezielte polizeiliche Überwachung zur Bekämpfung der Alkoholproblematik, - Übernahme der in Großbritannien erprobten Aktion des "Designated Driver".
In der vorliegenden Arbeit wurde der Erkenntnisstand zu psychologischen und physiologischen Einflüssen auf das Fahrerverhalten auf Außerortsstraßen erfasst und eine mögliche Umsetzung in den Straßenentwurf geprüft. Auf Basis von Unfalluntersuchungen, einer Analyse der Annahmen des bestehenden Regelwerks sowie eines Modells der kognitiven Prozesse, die für das Fahren relevant sind, wurden Hypothesen zu potentiellen Einflussfaktoren abgeleitet, die zur Strukturierung der Analyse der nationalen und internationalen Literatur zum Fahrerverhalten auf Landstraßen dienten. Neben einer Betrachtung von Fahrerreaktionen auf Parameter der Straßenumgebung fand dabei besondere Berücksichtigung, wie die subjektive Klassifikation der Straße sich auf das Fahrerverhalten auswirken kann und inwiefern diese Klassifikation durch den Konzeptansatz der so genannten "Selbsterklärenden Straße" unterstützt werden kann. Die Befunde wurden hinsichtlich ihrer statistischen Aussagekraft und Konsistenz bewertet und anhand der Hypothesen in einer Synopse zusammengefasst. Daraus wurden zum einen konkrete Erkenntnisse für die neuen Richtlinien zur Anlage von Landstraßen (RAL) abgeleitet als auch Forschungsbedarf identifiziert.