Analyse glättebedingter Unfälle von Güterkraftfahrzeugen mit mehr als 12 t zulässigem Gesamtgewicht
Analysis of accidents related to slippery road conditions of heavy goods vehicles with more than 12 t total permissible weight
- Die Überschreitung des möglichen Reibwertpotenzials zwischen Fahrbahn und Reifen stellt nach wie vor ein großes Sicherheitsrisiko dar. Während sich mittlerweile Systeme in der Entwicklung befinden, die das aktuelle Reibwertpotenzial recht verlässlich schätzen können, stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Information am besten dem Fahrer* zu übermitteln ist. Diese und weitere Fragen bezüglich des Nutzens einer Reibwertwarnung werden in diesem Projekt beantwortet. Im Laufe dieses Projektes wurde untersucht, welcher Nutzen eine Reibwertwarnung für Güterkraftfahrzeuge darstellt. Mittels einer Probandenstudie im Fahrsimulator der technischen Universität Berlin ließen sich Fahrverhalten feststellen, welche positive Auswirkungen im Falle eines glättebedingten Unfalles hätten. Die Grundlage bildete zunächst die Literaturrecherche, die sowohl Erkenntnisse über den Stand der Technik von Fahrerassistenzsystemen sowie auch Einblicke in die Forschung zur Gestaltung von Warnungen aufzeigte. Zahlreiche Details über das Sicherheitspotenzial, das Angebot der verschiedenen Hersteller, die Gesetzgebung und weiteres hinsichtlich der Fahrerassistenzsysteme wurden ergründet, während zur Gestaltung von Warnungen kognitive Modelle und die Auswirkungen von Warnungen auf einen Probanden untersucht wurden. Folglich war es möglich, zusammen mit einer Expertenrunde und Vorstudien zur Gestaltung der unterschiedlichen Glätte-Icons, eine wissenschaftlich fundierte Warnstrategie herauszuarbeiten, die aus akustischen Signalen, Sprachangaben und grafischen Anzeigen auf einem Head-Up-Display besteht. Parallel dazu wurde mittels einer Analyse von Unfällen von schweren Lkw mit vermindertem Kraftschluss ein Überblick über die Unfallsituation von N3-Lkw verschafft. Dazu wurden die Daten der GIDAS-Unfalldatenbank untersucht und eine repräsentative Zufallsstichprobe der Unfälle, bei denen Kraftschlussminderung eine Rolle gespielt haben könnte, erstellt. Zwei Szenarien wurden hierbei betrachtet: Auffahrunfälle, bei denen der Lkw auf ein weiteres Fahrzeug auffährt, sowie Fahrunfälle, bei denen der Lkw-Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert. Diese Unfallanalyse bildete dann die Basis für die Szenariengestaltung der Probandenstudie im Fahrsimulator. Kritische Fahrszenarien, unübersichtliche Kurven- und Bergfahrten und ein Stauende hinter einer Kuppe, jeweils gepaart mit Regen, Starkregen oder Nebel und den dazu variierenden Reibwert der Straße, wurden samt der Warnstrategie im Fahrsimulator dargestellt. In der Probandenstudie durchfuhren Kraftfahrzeugfahrer die präparierten Simulationen, wobei die Experimentalgruppe die Glättewarnung erhielt und die Kontrollgruppe die gleiche Simulation ohne Warnung durchfuhr. Die Hauptfragestellungen, die sich stellten, waren, ob die Fahrer mit Warnsystem ihr Verhalten (insbesondere ihre Geschwindigkeit) an den Zustand der Fahrbahn anpassten und ob die Fahrer mit Warnsystem eine bessere Fahrleistung in Gefahrensituationen im Vergleich zu Fahrern ohne Warnsystem zeigen. Außerdem wurde untersucht, wie die Fahrer die Kritikalität der Fahrsituationen einschätzen und wie die Fahrerbewertung bezüglich der Warnstrategie ausfallen. Zusammenfassend zeigte die Studie, dass die Probanden mit Warnung ihr Fahrverhalten besser an die Glättesituation anpassten als Probanden ohne Warnung. Erstere reduzierten ihre Geschwindigkeit deutlich früher und stärker. Die entwickelte Warnstrategie wurde als positiv und hilfreich bewertet und wurde mit einer hohen Akzeptanz von den Probanden angenommen. Durch die Corona-Pandemie fiel die Stichprobengröße der Probanden geringer aus als ursprünglich geplant, was für die Ergebnisse miteinzuberechnen ist. Im Schlussteil dieses Projektes wurde der konkrete Nutzen von Glättewarnsystem bei Lkw in Bezug auf das Unfallgeschehen analysiert. Mit der Kenntnis der Auswirkung eines Glättewarnsystems auf das Fahrverhalten der Lkw-Fahrer konnten die Lkw-Unfälle aus der GIDAS-Datenbank durch eine Vorwärtsrekonstruktion neu simuliert werden, um zu ermitteln, welchen Einfluss das Glättewarnsystem auf den Unfall gehabt hätte. Die Analyse zeigte unter anderem, dass eine Glättewarnung für Lkw bei 12 % aller Unfälle zum Einsatz kommen könnte. Bei einer angenommenen mittleren Reduktion der Fahrgeschwindigkeit der Lkw-Fahrer um 9,6 km/h bei Tempo 80 aufgrund der Glättewarnung wären nahezu 30 % der Kollisionen bei Alleinunfällen oder Unfällen mit Beteiligung eines anderen Fahrzeugs sowohl bei den Lkw als auch bei den Kollisionsgegnern vermieden worden. Ferner hätten mehr als die Hälfte der Lkw und der Kollisionsgegner geringere Kollisionsschweren gehabt. Mittels Verletzungsrisikokurven konnte gezeigt werden, dass durch die geringeren Kollisionsschweren das Risiko, ernsthafte oder schwerere Verletzungen zu erleiden, deutlich gesunken ist. Bei den Lkw-Unfällen mit Fußgängern wären von neun analysierten Unfällen zwei vermieden worden und sieben Unfälle hätten aufgrund der geringeren Kollisionsgeschwindigkeit des Lkws das Potenzial die Verletzungsschwere der Fußgänger zu verringern. * Gender Disclaimer: In diesem Bericht wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Dabei werden weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
- Exceeding the possible friction coefficient potential between the road surface and the tire still represents a major safety risk. While systems are now being developed that can estimate the current friction coefficient potential quite reliably, the question arises as to the best way to communicate this information to the driver. This and other questions regarding the usefulness of a friction value warning are answered in this project. During this project, the benefits of a friction value warning for heavy trucks (N3) were investigated. By means of a test person study in the driving simulator of the Technical University of Berlin, it was possible to determine driving behaviour that would have positive effects in the event of a slippery road accident. The basis was initially formed by a literature research, which revealed both findings on the state of the art of driver assistance systems as well as insights into research on the design of warnings. Numerous details about the safety potential, the range of products offered by the various manufacturers, legislation and other aspects of driver assistance systems were explored, while cognitive models and the effects of warnings on a test person were investigated for the design of warnings. Consequently, together with an expert workshop and preliminary studies on the design of the different slippery-road-icons, it was possible to work out a scientifically sound warning strategy consisting of acoustic signals, voice information and graphic displays on a head-up display. In parallel, an overview of the accident situation of N3 trucks was obtained with an analysis of accidents of heavy trucks with reduced friction. For this purpose, the data of the GIDAS accident database were examined and a representative random sample of accidents in which reduced adhesion could have played a role was created. Two scenarios were considered: Rear-end collisions where the truck rear-ends another vehicle and driving accidents where the truck driver loses control of his vehicle. This accident analysis then formed the basis for the scenario design of the test person study in the driving simulator. Critical driving scenarios, unclear curves and uphill driving and the end of a traffic congestion behind a hill, each paired with rain, heavy rain or fog and the varying friction coefficient of the road, were presented in the driving simulator together with the warning strategy. In the test person study, truck drivers drove through the prepared simulations, whereby the experimental group received the slippery road warning and the control group drove through the same simulation without warning. The main questions that arose were whether the drivers with the warning system adapted their behaviour (especially their speed) to the condition of the road and whether the drivers with the warning system showed better driving performance in hazardous situations compared to drivers without the warning system. In addition, the study investigated how drivers rated the criticality of driving situations and how drivers rated the warning strategy. In summary, the study showed that the test subjects with a warning adapted their driving behaviour better to the slippery situation than test subjects without a warning. The former reduced their speed significantly earlier and more strongly. The developed warning strategy was evaluated as positive and helpful and was rated by the test persons with a high degree of acceptance. Due to the Corona pandemic, the sample size of the test persons was smaller than originally planned, which must be considered for the results. In the final part of this project, the concrete benefit of slippery road warning systems on HGVs was analysed in relation to accident occurrence. With the knowledge of the effect of a slippery road warning system on the driving behaviour of truck drivers, the truck accidents from the GIDAS database could be re-simulated by a forward reconstruction to determine what influence the slippery road warning system would have had on the accident. The analysis showed, among other things, that a slippery road warning system for trucks could be used in 12% of all accidents. Assuming a medium reduction in the driving speed of HGV drivers of 9.6 km/h at speed of 80 km/h due to the warning system, almost 30 % of collisions in solo accidents or accidents involving another vehicle would have been avoided for both HGVs and collision opponents. Furthermore, more than half of the trucks and collision opponents would have had lower collision severities. Using injury risk curves, it could be shown that the lower collision severities significantly reduced the risk of serious or more severe injuries. In the case of truck accidents with pedestrians, out of nine accidents analysed, two would have been avoided and seven accidents would have had the potential to reduce the injury severity of pedestrians due to the lower collision speed of the truck.
Verfasserangaben: | Gerd Müller, Manfred Thüring, Michael Jänsch, Sandra Epple, Felix Kretschmer, Yann Luca Gottwald, Felix Oehring, Andreas Winkenbach |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:opus-bast-27166 |
ISBN: | 978-3-95606-709-9 |
Schriftenreihe (Bandnummer): | Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe F: Fahrzeugtechnik (148) |
Verlag: | Fachverlag NW in der Carl Ed. Schünemann KG |
Verlagsort: | Bremen |
Dokumentart: | Buch (Monographie) |
Sprache: | Deutsch |
Datum der Veröffentlichung (online): | 31.10.2022 |
Datum der Erstveröffentlichung: | 31.10.2022 |
Veröffentlichende Institution: | Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) |
Datum der Freischaltung: | 31.10.2022 |
Freies Schlagwort / Tag: | Statistical Analysis; Statistische Analyse; Unfall Accident |
Seitenzahl: | 90 Seiten |
Bemerkung: | Bericht zum Forschungsprojekt 82.0733. Analyse vonglättbedingten Güterkraftfahrzeuge - Unfällen (> 12 t zulässiges Gesamtgewicht Fachbetreuung Adrian Hellmann Referat Aktive Fahrzeugsicherheit und Fahrassistenzsysteme |
Institute: | Abteilung Fahrzeugtechnik |
DDC-Klassifikation: | 6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 62 Ingenieurwissenschaften / 620 Ingenieurwissenschaften und zugeordnete Tätigkeiten |
Lizenz (Deutsch): | BASt / Link zum Urhebergesetz |