Kognitive Störungen und Verkehrssicherheit

Cognitive disorders and traffic safety

  • Infolge bestimmter Erkrankungen kann es zu motorischen, sensorischen und/oder kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen kommen, die sich negativ auf das Führen eines Fahrzeuges auswirken können. Trotz intensiver Forschungsbemühungen sind aktuell die komplexen Zusammenhänge zwischen kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen und der Fahrkompetenz noch nicht vollumfänglich verstanden. Primäres Ziel dieses Berichtes war es, anhand der Darstellung und Analyse aktueller und zentraler wissenschaftlicher Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis krankheitsbedingter Beeinträchtigungen der Fahrkompetenz beizutragen. Dazu wurde zunächst der Einfluss von sechs neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen auf das Fahrverhalten der Betroffenen beschrieben und analysiert. Die Auswahl der Erkrankungen erfolgte dabei aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Prävalenzen und den typischerweise bei ihnen auftretenden neurologischen und neuropsychologischen Symptomen, welche für die Beantwortung zentraler Fragestellungen dieses Berichtes von besonderer Bedeutung sind. Aus der Kombination ausgewählter verkehrssicherheitskritischer Parameter wurde die Relevanz der einzelnen Erkrankungen für die Verkehrssicherheitsarbeit abgeleitet. Diese Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise darauf, welche Erkrankungen zukünftig, beispielsweise im Rahmen von Informations- und Aufklärungsmaßnahmen oder Forschungsprojekten, verstärkt adressiert werden sollten. Um ein möglichst vollständiges Bild des aktuellen Forschungsstandes wiederzugeben, wurden auch Studien, die aufgrund von methodischen Schwächen (z. B. kleine Stichprobe) nur eine begrenzte Aussagekraft haben, bei der Bewertung der einzelnen Störungen berücksichtigt. Durch dieses Vorgehen sollten zudem mögliche (systematische) Schwächen in dem Forschungsgebiet identifiziert und analysiert werden können. Anhand der zur Verfügung stehenden Daten ergibt sich für die Demenzen, Schädel-Hirn-Traumata und die hepatische Enzephalopathie eine hohe Relevanz für die Verkehrssicherheitsarbeit. Etwas geringer, aber weiterhin als hoch zu bewerten, stellt sich die Relevanz von Morbus Parkinson für die Verkehrssicherheitsarbeit dar. Die Relevanz von Schlaganfällen für die Verkehrssicherheitsarbeit ist anhand der zur Verfügung stehenden Daten am ehesten als moderat, die der leichten kognitiven Störung (LKS) am ehesten als gering zu bezeichnen. Diese Aussagen beziehen sich dabei auf ein aus den berücksichtigten Forschungsarbeiten abgeleitetes theoretisches Risiko auf Gruppenebene. Dieses eignet sich ausdrücklich nicht, um fahreignungsbezogene Rückschlüsse zu ziehen. Ableitungen auf das individuelle Risiko eines erkrankten Fahrers sind unzulässig . Anhand der berücksichtigten Veröffentlichungen konnten zudem Zusammenhänge zwischen kognitiven Leistungen und der Fahrkompetenz beschrieben werden. Dabei scheint neben den Aufmerksamkeits- und visuell-räumlichen Leistungen insbesondere exekutiven Leistungen eine besondere Relevanz bei der Bewältigung der Fahraufgabe zuzukommen. Es ergeben sich Hinweise, dass die Durchführung individueller Trainings zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit, praktische Fahrtrainings sowie zielgruppenspezifische Maßnahmen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen können. Insgesamt gilt es, Betroffene, Behandelnde und Akteure der Verkehrssicherheit verstärkt für das Thema krankheitsbedingt beeinträchtigte Fahrkompetenz zu sensibilisieren. Im Hinblick auf zukünftige Aktivitäten wird aufgrund der Limitation aktueller wissenschaftlicher Veröffentlichungen empfohlen, einen theoretisch und/ oder empirisch fundierten methodischen Leitfaden zur Erstellung von Fahrkompetenzstudien zu entwickeln und zu veröffentlichen. Zukünftige Forschungsschwerpunkte könnten kognitive Anforderungen spezifischer Fahraufgaben, vertiefende Analysen von Erkrankungen und ihrem Zusammenhang mit der Fahrkompetenz sowie die Entwicklung valider Mess- und Testverfahren sein. Mittel- bis langfristig sollen sich anhand der dargestellten Maßnahmen krankheitsbedingte Risiken im Straßenverkehr reduzieren lassen und neue Wege zum Erhalt der Mobilität erkrankter Fahrer identifiziert werden können.
  • As a result of certain diseases, motor, sensory and/ or cognitive impairment can occur, which can have a negative effect on driving a vehicle. Despite intensive research efforts, the complex relationships between cognitive impairments and driving skills are not yet fully understood. The primary objective of this report was to contribute to a better understanding of disease-related impairments of driving skills through the presentation and analysis of current and central scientific findings. Therefore, the influence of six neurological and neurodegenerative diseases on driving behaviour was described and analyzed. The diseases were selected on the basis of their comparatively high prevalence and the neurological and neuropsychological symptoms that typically occur among them, which are of particular significance for answering the central questions of this report. The relevance of the diseases regarding activities to improve road safety was derived from the combination of selected parameters. These findings provide important indications which diseases should be addressed more intensively in the future, for example within the framework of communicative measures or in research. In order to present a complete picture of the current state of research, studies with methodological limitations (e.g. small sample) were also taken into account in the evaluation of the diseases. This procedure should also make it possible to identify and analyse (systematic) weaknesses in this field of research. Based on the available data, dementia, traumatic brain injuries (TBI) and hepatic encephalopathy are highly relevant for road safety. The relevance of Parkinson‘s disease for road safety is somewhat lower, but still high. Based on the available data, the relevance of strokes for road safety is most likely to be moderate, while that of mild cognitive impairment (MCI) is most likely to be low. These conclusions refer to a theoretical risk at a group level derived from literature. This risk is not suitable for drawing conclusions related to fitness to drive. Derivations on the individual risk of an ill driver are inadmissible. The reviewed literature gave insights into correlations between cognitive performance and driving competence. Besides several forms of attention and visual spatial performance, executive functions seem to be of particular relevance for coping with the driving task. There are indications that individual training to improve cognitive performance and practical driving training can contribute to a sustainable improvement in road safety. Overall, it is important to sensitize people which suffer from one of the diseases, those who are treating them and those who are involved in road safety activities to the relevance of certain diseases in this context. With regard to future activities and due to the limitations of the current research, it is recommended to develop a theoretically and/or empirically guideline for the implementation of driving competence studies with patients. Future research priorities could be cognitive requirements of specific driving tasks, in-depth analyses of the correlations between diseases and driving skills as well as the development of valid measurement and test procedures. In the medium to long term, the presented measures should make it possible to reduce disease-related risks in road traffic and to identify new ways of maintaining the mobility of sick drivers.

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Metadaten
Verfasserangaben:Fabian SurgesGND
URN:urn:nbn:de:hbz:opus-bast-24580
ISBN:978-3-95606-544-6
Schriftenreihe (Bandnummer):Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe M: Mensch und Sicherheit (303)
Verlag:Fachverlag NW in der Carl Ed. Schünemann KG
Verlagsort:Bremen
Dokumentart:Bericht
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):30.11.2020
Datum der Erstveröffentlichung:30.11.2020
Veröffentlichende Institution:Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Urhebende Körperschaft:Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Datum der Freischaltung:30.11.2020
Freies Schlagwort / Tag:Fahrkompetenz; Leistungsbeeinträchtigungen; Verkehrssicherheit
Seitenzahl:84
Bemerkung:
Bericht zum Forschungsprojekt 4317019
Kognitive Störungen und Verkehrssicherheit
Institute:Abteilung Verhalten und Sicherheit im Verkehr
DDC-Klassifikation:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 62 Ingenieurwissenschaften / 620 Ingenieurwissenschaften und zugeordnete Tätigkeiten
Lizenz (Deutsch):License LogoBASt / Link zum Urhebergesetz

$Rev: 13581 $